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Go ahead | Die Durchbrüche häufen sich
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Magazin 02/23
Wie Computer Informationen selbstständig verarbeiten können, damit beschäftigen sich Wissenschaft und Industrie schon seit den 1980ern. Auch in Österreich haben Forscher:innen Pionierarbeit geleistet.
Bernhard Moser und Georg Dorffner sind Präsident und Vizepräsident der Austrian Society for Artificial Intelligence, kurz ASAI, und gehören beide zur forschenden KI Community in Österreich. Im Gespräch mit dem druck medien Magazin berichten sie über den aktuellen Stand der Forschung, über Chancen, Hindernisse und Risken.
Sie haben kürzlich den Forschungsbericht zu KI in Österreich vorgestellt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?
Moser: Österreich hat prinzipiell das Potenzial, international eine führende Rolle in der KI Forschung einzunehmen. Wir haben eine sehr aktive Community, die fast alle relevanten Teilbereiche abdeckt, und wir erzielen mit unseren Forschungsergebnissen regelmäßig internationale Aufmerksamkeit. Aber – und das ist die bittere Erkenntnis: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht links und rechts überholt werden. Es fehlt an der Finanzierung von KI Infrastruktur und am Verständnis für KI Forschung.
Beflügelt der aktuelle Hype um ChatGPT auch die KI Forschung?
Dorffner: Was sich im Moment in der AI abspielt, ist enorm. Allein in den letzten Monaten sind solche Sprünge passiert, die selbst KI Entwickler:innen verblüfft haben. ChatGPT kann Leistungen erbringen, die man von einem Textvorhersagesystem so nicht erwartet hätte. Das eröffnet neue Perspektiven, auch für die Grundlagenforschung. Wir haben jahrzehntelang zu Machine Learning geforscht, ich selbst beschäftige mich seit den 1980ern mit neuronalen Netzwerken, die die Grundlage für KI sind. Auch die Grundidee von ChatGPT stammt schon aus den 1980ern, vom US-amerikanischen Kognitionswissenschafter und Linguisten Jeffrey Elman. Aber mit den neuen Systemen und den Architekturen, die dahinter stehen, stoßen wir in andere Dimensionen vor. Deshalb hat die ASAI auch den Aufruf zu mehr Forschungsgeldern gestartet. Die Brainpower wäre da, aber es braucht auch noch vieles andere, um mithalten zu können. Sonst können wir nur hinterherhinken oder über die Ergebnisse der Forschung forschen, wie über Anwendungsbereiche für ChatGTP.
Textbasierte KI ist aber nur ein kleiner Teil. Was sind hier aus Ihrer Sicht Leuchtturmprojekte von österreichischen Forscher:innenteams?
Moser: Österreichische Forscher:innen waren etwa ganz vorne dabei bei der Entwicklung von Deep Learning und neuronalen Netzwerken, unter anderem wie gerade erwähnt auch Georg Dorffner. Sepp Hochreiter und Günter Klambauer haben am Institut für Machine Learning der Uni Linz selbstnormierende Netzwerke entwickelt, die kurz darauf in der Spracherkennung von Apple, SIRI, eingesetzt worden sind. In der symbolischen KI wiederum wird seit vielen Jahren an Systemen zur Prüfung von Hard- und Software geforscht, um sicherzustellen, dass diese Programme tatsächlich tun, was sie sollen. Hier ist das Institut für Symbolic Artificial Intelligence international der Uni Linz bekannt. Und das sind nur ein paar Beispiele.
Dorffner: Was wir auch geschafft haben in Österreich, ist die Vernetzung der Community zum Bilateral AI Konsortium und die Gründung von drei ELLIS Units in Wien, Linz und Graz. Das ist umso bemerkenswerter, weil ELLIS ein europäisches Exzellenz-Netzwerk ist und nur wenige Institutionen in der EU es bisher geschafft haben, solche Zentren zu etablieren.
Moser: Interessant ist auch das Zusammenwirken von Grundlagenforschung in der KI und Grundlagenforschung aus anderen Bereichen. Das Wissen um die Wirkung von Molekülen oder Proteinen ist ja auch Grundlagenforschung. Das heißt, es wirken zwei Felder zusammen, die gemeinsam viel bewirken, etwa im Kampf gegen Krebs, in der Impfstoffforschung oder auch in der Pharmakologie bei der Entwicklung von Medikamenten.
Die Entwicklung von KI ist im Moment rasant, und zwar in allen Bereichen. Was sind die Gründe für den exponentiellen Anstieg an Innovationen?
Dorffner: Dass jetzt mit den Ideen, die man damals geboren hat, etwas Großes entsteht, ist nur möglich geworden, weil wir heute extrem leistungsfähige Rechner haben und mit wirklich großen Datenmengen operieren können. Das ist ein wichtiges Thema. Will man etwa die Ergebnisse der Melanomforschung auf andere Tumore umlegen, dann brauche ich Daten. Die Medizin hat gezeigt, dass mit Hilfe von KI Expert:innenleistung erreicht und übertroffen wird.
Die EU möchte den Einsatz von KI künftig stärker regulieren und hat den AI Act verabschiedet. Wie sehen Sie als Wissenschafter diese Regulierungsabsichten?
„Man sollte immer kritisch sein“, sagt Moser.
Moser: Ich glaube, man sollte immer kritisch sein. Als Mathematiker sehe ich auch Schwächen in den Systemen. Wenn die Systeme, in denen man KI einpflanzt, immer autonomer werden, der Mensch immer mehr an Maschinen delegiert und die Algorithmen schlauer und schneller sind als wir selbst, dann wirft das Fragen auf. Diese Auseinandersetzung sehe ich sehr positiv. Dieser AI Act und die damit verbundene Regulierung ist jedoch sehr kritisch. Ja, es braucht Regulierung. Aber derzeit besteht die Gefahr, dass unter dem Deckmantel des Schutzes einige mächtige Lobbys ihre Marktstellung zementieren.
Dorffner: Bei der Diskussion um KI mischt sich oft berechtigtes Unbehagen mit irrealen Ängsten, dass die Maschinen die Weltherrschaft übernehmen werden. Im Prinzip kann man schon sagen, dass uns die Maschinen schon jetzt beherrschen. Aber sie haben noch lange keinen eigenen Willen, um uns selbst auszutricksen. Sehr wohl diskutiert werden muss jedoch über die berechtigten Ängste, etwa wie Fakes oder Erkennungsmechanismen eingesetzt werden.
„Berechtigtes Unbehagen und irreale Ängste vermischen sich“, sagt Dorffner.
Es gehört auch Aufklärung dazu. Die ASAI gibt es seit 2019. Was war damals der Beweggrund für die Gründung?
Dorffner: Die ASAI gibt es genaugenommen als Gesellschaft schon seit 1981, damals als Österreichische Gesellschaft für Artificial Intelligence, kurz ÖGAI. Wir haben die Gesellschaft genützt, um uns neu aufzustellen.
Moser: 2019 war eine ziemliche Bewegung europäisch und weltweit und der Wunsch sich als Communities zu organisieren. Die Bundesregierung hat zudem ihren Prozess für eine KI Strategie gestartet. Wir haben damals eine Deklaration für KI in Österreich verfasst, die über 40 KI Forscher:innen in Österreich unterschrieben haben und die schließlich von der uniko, der österreichischen Universitätenkonferenz, als Positionspapier zu KI aufgegriffen wurde. Heute, 4 Jahre später, ist dieses Positionspapier nach wie vor aktuell.
Die ASAI fordert explizit mehr Investitionen für die Forschung. Woran fehlt es am meisten?
Moser: Es braucht natürlich gewisse Grundstrukturen, um Forschung auf einem Top-Level betreiben zu können, und es braucht das Verständnis, dass und wie Grundlagenforschung als Hebel wirkt. Grundlagenforschung ist immer mit einem hohen Risiko verbunden, weil man nie weiß, ob sich daraus eine Idee für eine Anwendung entwickeln kann. Das ist deshalb auch eine Grundaufgabe von Universitäten. Wenn dann etwas entwickelt wurde, das Potential hat, dann greifen das auch die Firmen auf und investieren. Aber das Meiste, was bei uns gefördert wird, ist dieser Transfer in die Praxis, während die Grundlagenforschung es viel schwerer hat, an Förderungen zu kommen. In der Schweiz, die hier viel erfolgreicher ist als Österreich, ist die Priorisierung genau umgekehrt.
Da ist etwa dran. Aber was könnte ein Ausweg sein?
Moser: Es braucht zunächst eine kritische Analyse der aktuellen Förderpraxis. Der Vergleich mit anderen Ländern mit erfolgreichen KI Strategien mag dabei sehr aufschlussreich und hilfreich sein.
Danke für das Gespräch!
Bernhard Moser
Bernhard Moser ist Präsident der ASAI, Dozent für Mathematik an der Kepler Universität Linz, Technologie- und Innovationsmanager am Software Competence Center Hagenburg und koordiniert aktuell das europäische Projekt TEAMING.AI.
Georg Dorffner
Georg Dorffner ist Vizepräsident der ASAI, Univ.-Prof. am Institut für Artificial Intelligence and Decision Support der Medizinischen Universität Wien und einer der österreichischen Pioniere auf dem Gebiet der neuronalen Netzwerke für maschinelles Lernen.
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